Nehmen wir einen Menschen, der sich durch ein tiefes Gefühl der Unsicherheit und Einsamkeit zu pausenlosem Arbeiten getrieben fühlt; oder einen anderen, den Ehrgeiz oder Geldgier treibt. In all diesen Fällen ist der Betreffende der Sklave einer Leidenschaft, und seine Aktivität ist in Wirklichkeit Passivität, weil er dazu getrieben wird. Er ist ein „Leidender“, er erfährt sich in der „Leideform“ (Passiv) und nicht in der „Tätigkeitsform“ (Aktiv); er ist kein „Tätiger“, er ist nicht selber der „Akteur“.
Im Gegensatz dazu hält man einen Menschen, der ruhig dasitzt, sich der Kontemplation hingibt und dabei keinen anderen Zweck und kein anderes Ziel im Auge hat, als sich selbst und sein Einssein mit der Welt zu erleben, für „passiv“, weil er nichts „tut“.
In Wirklichkeit aber ist diese konzentrierte Meditation die höchste Aktivität, die es gibt, eine Aktivität der Seele, deren nur der innerlich freie, unabhängige Mensch fähig ist.
Die eine Auffassung von Aktivität, nämlich unsere moderne, bezieht sich auf die Verwendung von Energie zur Erreichung äusserer Ziele; die andere bezieht sich auf die Verwendung der dem Menschen innewohnenden Kräfte ohne Rücksicht darauf, ob damit eine äussere Veränderung bewirkt wird oder nicht.
Erich Fromm