Wenn Sie achtsam ein- und ausatmen, ist das bereits eine Art Einsicht. Jeder atmet, doch nicht jeder ist sich dessen bewusst. Beim achtsamen Einatmen erkennen Sie, dass Sie lebendig sind. Wären Sie das nicht, würden Sie nicht atmen. Lebendig zu sein ist das grösste aller Wunder. Erfreuen Sie sich daran. Wenn Sie auf diese Weise atmen, wird Ihr Atem zu einer Feier des Leben
Tich Nath Hanh
Wir atmen ruhig und natürlich. Die Aufmerksamkeit ist voll und ganz dem ein- und ausströmenden Atem zugewandt…Der Geist sollte, während wir die Atmung wahrnehmen, klar und gelassen sein.
Zenmeister Thich Nhat Hanh sagt:
„Wenn wir unsere Aufmerksamkeit gänzlich auf die Atmung richten, so erfahren wir, dass unsere Atmung unseren Geist beeinflusst und unser Geist unsere Atmung. Geist und Atem werden eins…“
„Der bewusste Augenblick, in dem der Mensch voll und ganz in der Gegenwart steht, schenkt Glückseligkeit. Erst wer Körper und Geist dem Jetzt öffnet, kann aufgewühlte Gefühle beruhigen und tiefe innere Freude und Verbundenheit mit allem Lebendigen erfahren. Der Weg dazu ist unser Atem… Niemand kann uns davon abhalten, unser Ein- und Ausatmen zu geniessen…“
Sobald uns bewusst wird, dass die innere Sammlung dahin ist, sollten wir ohne jede Reue und ohne Schuldgefühle die Aufmerksamkeit einfach wieder der Atmung zuwenden. Wir kehren zum Atem zurück wie ein Schmetterling, der sich abermals auf einer Blume niederlässt, nachdem er zuvor, ohne ersichtlichen Grund mal nach rechts, mal nach links schweifend, um sie herumgeflattert ist.
Wenn Gedanken auftauchen, versuchen wir nicht, sie aufzuhalten. Wir vermeiden es lediglich, ihnen einen Nährboden zu bereiten. Wir lassen sie einfach nur das weite Feld unseres Bewusstseins durchqueren – so wie ein Vogel über den Himmel fliegt, ohne eine Spur zu hinterlassen.
Matthieu Ricard
„Unser Geist ist wie ein Garten, den wir lange Zeit ignoriert haben. Die Erde ist hart geworden, und überall wachsen Dornengestrüpp und Unkraut. Zu praktizieren bedeutet, uns wieder um unseren Garten zu kümmern. Wir sind die Gärtner, unser Geist ist die Erde, und im Boden sind die guten Samen.“
Thich Nhat Hanh
Im Lotus-Sutra heisst es: „Alle fühlenden Wesen haben Buddhanatur.“ Unter den richtigen Bedingungen geht der Same der Buddha-Natur in uns auf. Dieser Same kann auch als Same Rechter Achtsamkeit bezeichnet werden oder als Same wahren Verstehen oder Rechten Vertrauens oder als Same der Weisheit. Sie alle sind tatsächlich eins. Durch unser Praktizieren verhelfen wir diesen wunderbaren Samen dazu, sich zu manifestieren. Sind wir achtsam, so ist auch Sammlung da. Ist unser Geist gesammelt, so sind Verstehen und Weisheit da. Haben wir Vertrauen, so mangelt es uns nicht an Tatkraft. Achtsamkeit ist der Same des Buddha in uns. Sammlung ist also schon im Samen der Achtsamkeit enthalten.
In jedem von uns ist der Same der Buddhaschaft vorhanden. Wir alle besitzen Buddha-Natur, d.h. die Fähigkeit, zu erwachen und zu verstehen. In uns allen gibt es den Samen der Achtsamkeit, den Samen der Bewusstheit für das, was im gegenwärtigen Augenblick geschieht. Vielleicht fällt es dir schwer zu akzeptieren, dass der Same des Buddha in dir ist; aber wir alle haben die Fähigkeit zu Vertrauen, Erwachen, Verstehen und achtsamem Gewahrsein, und das ist, was mit Buddha-Natur gemeint ist. Es gibt niemanden, der oder die nicht ein Buddha werden könnte.
Thich Nhat Hanh
Das, was wir wirklich sind, ist unsere Buddha-Natur, das Potenzial vollkommener Freude. Diese Buddha-Natur ist die allem zugrunde liegende Wirklichkeit, das „Herz vollkommenen Erwachens“. Sie ist unsere natürliche Ausstattung, die alle Lebewesen, also auch Tiere, besitzen. Dieses Potenzial ist unbegrenzt von Raum und Zeit und allgegenwärtig.
Wir können uns die Buddha-Natur wie die Sonne vorstellen, die auch an trüben Tagen ihre volle Strahlkraft hat, aber durch Wolken verschleiert ist. Die Wolken verhindern den Zugang zu ihrer Wärme und ihrem Licht. Genauso erleben wir nicht die offene Unbegrenztheit unseres Geistes, sondern haben eine eingegrenzte, „bewölkte“ Sichtweise. Die Schleier, die die Buddha-Natur verhüllen, beruhen auf grundlegender Unwissenheit: Unser Geist hat seit „anfangsloser Zeit“ eine doppelte Natur. Er hat die Klarheit, nach außen alles zu erkennen und zu wissen, ist aber nicht fähig, sich selbst zu sehen. Der Raum des Geistes – das was sieht – sagt „Ich“, und das Gesehene – die Welt draußen – wird als „Du“ oder „Anderes“ aufgefasst.
Würden wir uns nicht mit dieser eingeschränkten Funktion, sondern mit unserer Buddha- Natur identifizieren, hätten alle unsere leidvollen Zustände ein Ende. Um dahin zu kommen, müssen wir die Methoden, die der Buddha uns gab, anwenden. Besonders wichtig ist im Diamantweg-Buddhismus die Reine Sicht von uns selbst und anderen. Wir selbst sind Buddhas, die dies nur noch nicht erkannt haben, alle anderen Lebewesen ebenso. Sogar der unangenehmste Zeitgenosse hat die Buddha-Natur; auch bei ihm ist Entwicklungspotenzial zu finden, wenn wir nur genau genug hinschauen.
Der ganze Zweck der Lehre Buddhas liegt darin, unsere Buddha-Natur zu erkennen, diesen noch unentdeckten Schatz zu heben, seinen Reichtum zu genießen und ihn mit allen anderen zu teilen.
Diamantweg-Stiftung
…Ich bin Teil eines Lebensstroms von spirituellen und leiblichen Vorfahren, der bereits seit Tausenden von Jahren in die Gegenwart fliesst und für weitere Tausende von Jahren in die Zukunft fliessen wird. Ich bin eins mit meinen Vorfahren, ich bin eins mit allen Menschen und allen Arten von Wesen, gleich, ob sie friedlich und furchtlos oder voller Leid und Angst sind.
In diesem Augenblick bin ich überall auf der ganzen Welt anwesend, ich bin auch in der Vergangenheit und in der Zukunft anwesend. Die Auflösung des Körpers berührt mich nicht, gerade so, wie das Herabfallen einer Pflaumenblüte nicht das Ende des Pflaumenbaums bedeutet.
Ich sehe mich als Welle auf der Oberfläche des Meeres, meine Natur ist das Wasser des Meeres. Ich erkenne mich wieder in allen anderen Wellen, und ich sehe all die anderen Wellen in mir. Das Erscheinen und Verschwinden der Form der Wellen macht dem Ozean nichts aus. Mein Dharma-Körper und mein spirituelles Leben sind nicht Geburt und Tod unterworfen.
Ich erkenne, dass ich bereits da war, bevor mein Körper sich manifestierte, und dass ich noch da sein werde, nachdem mein Körper sich aufgelöst hat…Meine Lebensspanne, wie auch die Lebensspanne eines Blattes oder eines Buddha, ist unbegrenzt.
Ich habe die Vorstellung hinter mir gelassen, dass ich ein Körper bin, der in Raum und Zeit getrennt ist von allen anderen Formen des Lebens.
Thich Nath Hanh
Während ich dem Klang der Glocke lausche,
fühle ich, wie sich aller Schmerz
in meinem Innern auflöst.
Mein Geist ist ruhig
und mein Körper entspannt.
Ein Lächeln
wird auf meinen Lippen geboren.
Ich folge dem Klang der Glocke
und kehre zurück
zur Insel der Achtsamkeit,
und im Garten meines Herzens
erblühen die Blumen des Friedens.
https://intersein.de/texte.html
Aus: Leitfaden zum Einladen der Glocke
Das, wonach wir suchen, ist genau hier.
Wir haben in jedem Augenblick die Fähigkeit und die Gelegenheit,
in Berührung mit den wundervollen Dingen des Universums zu sein,
frei, voller Friede und Freude.
Wir sind der Buddha, unser Leben ist es wert, voll gelebt zu werden.
Wir müssen uns immer wieder daran erinnern.
Thich Nhat Hanh
Sitzen Sie mit dem Gefühl, dass Sie bereits angekommen sind.
Zu sitzen bedeutet, nicht zu kämpfen.
Lassen Sie Ihr Sitzen zu einem Ankommen
im gegenwärtigen Moment werden.
Geniessen Sie Ihr Ankommen.
Wie wundervoll ist es doch, anzukommen.
Wie wundervoll ist es, zu spüren, dass Sie zu Hause sind
und dass Ihr wahres Zuhause im Hier und Jetzt ist.
Auf eine solche Weise zu sitzen lässt Freude und Frieden wirklich werden.
Sie strahlen diese Freude und diesen Frieden aus,
und alle in Ihrer Umgebung werden davon profitieren
Aus: „Einfach Sitzen“ von Thich Nhat Hanh. Barth, 2016
Gehmeditation ist wie ein Spaziergang.
Wir haben dabei nicht die Absicht,
einen bestimmten Ort
innerhalb einer bestimmten Zeitspanne
erreichen zu wollen.
Zweck der Gehmeditation
ist die Gehmeditation selbst.
Entscheidend ist das Gehen,
nicht das Ankommen,
denn Gehmeditation ist kein Mittel,
es ist das Ziel selbst.
Jeder Schritt ist Leben;
jeder Schritt ist Frieden.
Das ist der Grund, warum
wir nicht zu eilen brauchen;
darum verlangsamen
wir unsere Schritte.
Gehen wir so, dass wir nur Frieden
in unserem Fussabdruck hinterlassen.
Das ist das Geheimnis der Gehmeditation.
(Thich Nhat Hanh, Der Geruch von frisch geschnittenem Gras)
Einatmend sehe ich mich selbst als Blume.
Ausatmend fühle ich mich frisch.
Einatmend sehe ich mich selbst als Berg.
Ausatmend fühle ich mich fest.
Einatmend sehe ich mich selbst als stilles Wasser.
Ausatmend spiegle ich die Dinge, wie sie sind.
Einatmend sehe ich mich selbst als Raum.
Ausatmend fühle ich mich frei.
Thich Nhat Hanh
Der menschliche Körper ist nicht bloss eine mit Atomen und Molekülen vollgestopfte Kiste. Er ist ein nach aussen offenes System und befindet sich in ständigem Austausch mit seiner Umgebung. Er ist kein Ding, sondern ein lebendiger Prozess. Was ihn belebt, ist Energie, die er in Form von Nahrung, Wasser, Licht und Luft aufnimmt.
Nun könnte man sagen, dass der Mensch laufend Energie verbraucht, was aber nicht ganz stimmt: er verwandelt sie. Die Gesamtmenge der im Universum vorhandenen Energie bleibt nämlich immer gleich. Sie wurde mit dem Urknall freigesetzt und hat sich seither nie mehr verändert. Das besagt der Energieerhaltungssatz. Energie kann weder erschaffen noch vernichtet, sondern nur von einer Form in eine andere umgewandelt werden.
Energie zeigt sich in vielen verschiedenen Formen, zum Beispiel als Bewegungsenergie, Wärmeenergie, chemische oder elektrische Energie. Diese Formen wechseln, eine Energieform kann in eine andere übergehen. Energie kann sogar in Materie transformiert werden – und umgekehrt Materie in Energie. Materie ist konzentrierte Energie, Energie ist verdünnte Materie.
Der Energieerhaltungssatz gilt für alle geschlossenen Systeme. Dazu gehört das Universum. Die Erde dagegen ist ein offenes System, deshalb können wir hier Energie gewinnen, aber auch verlieren. Die Rechnung geht erst im kosmischen Ganzen auf. Im Universum bleibt der Gesamtbetrag an Energie auf alle Zeiten immer gleich.
In einer Welt, die vom dauernden Werden und Vergehen bestimmt wird, ist eine solche Beständigkeit die grosse Ausnahme. Der Energieerhaltungssatz vermittelt einen Hauch von Ewigkeit: Die Energie, die in Ihnen lebendig ist, wird bis zum Ende des Universums – falls es je eines hat – bestehen bleiben. Mit ihr ist in Ihrem endlichen Leben etwas Unendliches gegenwärtig. Wenn es Sie schon lange nicht mehr gibt, gibt es immerhin noch Ihre Energie – beziehungsweise die Energie, die Ihnen für ein paar Jahrzehnte geschenkt worden ist. Ihre Hinterlassenschaft ist auch wohltuend neutral: Im Unterschied zur Esoterik gibt es in der Physik keine „gute“ oder „schlecht“ Energie, sondern einfach nur Energie.
Was aber passiert mit Ihrer Energie, wenn Sie einmal nicht mehr da sind? Sie zeigt sich in neuen Formen. In Bäumen, Wolken und Steinen. In Erdbeeren, Nashörnern und Menschen. Vielleicht auch in einer leuchtenden Sternschnuppe. Diese Gewissheit kann uns mit der Endlichkeit unserer Existenz versöhnen. Es geht etwas weiter.
Der vietnamesische Zen-Mönch Thich Nhat Hanh macht sich das jeden Tag mit einer kleinen Meditation bewusst: Tag für Tag betrachte ich alles um mich herum eingehend: die Bäume, die Berge, meine Freunde. In ihnen allen erkenne ich mich selbst, und ich weiss, ich werde nicht sterben. In vielen anderen Formen werde ich weiterleben.“
Lorenz Marti
Kommentar zum Herzsutra
Höre, Shariputra, Form ist Leerheit – Leerheit ist Form, Form ist nichts anderes als Leerheit – Leerheit ist nichts anderes als Form. Genauso sind Empfindungen, Wahrnehmungen, geistige Formkräfte und Bewusstsein leer von einem abgetrennten Selbst.
Form ist die Welle und Leerheit ist das Wasser. Mit Hilfe dieser Vorstellung könnt ihr verstehen. Die Inder sprechen eine Sprache, deren Bilder uns irritieren können, aber wir müssen ihre Ausdrucksweise begreifen, um sie wirklich zu verstehen. Wenn wir im Westen einen Kreis zeichnen, so symbolisiert er für uns die Null, das Nichts. In Indien hingegen symbolisiert ein Kreis Ganzheit, Totalität. Die Bedeutung ist gegenteilig.
„Form ist Leerheit, Leerheit ist Form.“ Auf unsere Vorstellung übertragen bedeutet das: Welle ist Wasser, Wasser ist Welle. In der vietnamesischen Literatur gibt es zwei Zeilen in dem Gedicht eines Zen-Meisters aus dem 12. Jhr., die folgendermassen lauten:
„Wenn es existiert, dann existiert ein einziges Staubkorn. Wenn es nicht existiert, dann existiert der gesamte Kosmos nicht.“
Der Zen-Meister drückt damit aus, dass die Vorstellung von Existenz und Nicht-Existenz nur durch unseren Geist geschaffen sind. Er sagte auch:
„Der gesamte Kosmos kann auf der Spitze eines Haares Platz finden, und Sonne und Mond können in einem Senfkorn erblickt werden.“
Dies sind Bilder, die uns zeigen, dass eins alles enthält und alles nur eins ist. Weil Form Leerheit ist, ist Form überhaupt möglich. In der Form finden wir alles andere – Empfindungen, Wahrnehmungen, geist-psychische Formkräfte und Bewusstsein. Leerheit bedeutet, leer von einem eigenständigen Selbst zu sein; bedeutet, voll von allem erfüllt von Leben zu sein. Leerheit ist die Grundlage von allem. Dank der Leerheit ist alles möglich. Wenn ich nicht leer wäre, könnte ich nicht sein, und wenn ihr nicht leer wäret, könntet ihr nicht sein. Weil ihr seid, kann auch ich sein. Form hat keine selbständige Existenz. Leerheit ist Unbeständigkeit, steter Wandel.
Wenn ihr ein Getreidekorn in die Erde einpflanzt, so hofft ihr, dass daraus eine grosse Getreidepflanze wird. Gäbe es keine Unbeständigkeit, so bliebe das Getreidekorn für immer ein Getreidekorn, ihr hättet niemals eine Ähre und könntet niemals Getreide essen. Unbeständigkeit ist die entscheidende Voraussetzung für alles Leben. Leerheit ist die Basis von allem. Dank der Leerheit ist Leben möglich.
THICH NHAT HANH
aus Herzsutra Teil 2
ganzes Herzsutra lesen: http://zentao.wordpress.com/herz-sutra/
Der Bodhisattva Avalokiteshvara weilte tief im Strom vollkommenen Verstehens. Er erhellte den Prozess, der zur Illusion einer abgeschlossenen Persönlichkeit führt. Deren Leerheit erkennend überwand er alles Leiden.
Das Prajnaparamita Herz-Sutra ist das wunderbare Geschenk Avalokitesvara Bodhisattvas an uns; es ist das Geschenk der Nicht-Angst, denn er selbst hat die Angst transzendiert. Bodhi bedeutet erwacht sein und sattva bedeutet Lebewesen; Boshisattva bezeichnet also ein erwachtes Lebewesen. Prajnaparamita bedeutet Vollkommenes Verstehen.
Avalokita erkannte, dass die fünf Skandhas leer sind. Die fünf Skandhas sind die fünf Elemente, die ein menschliches Wesen bilden. Diese fünf Elemente fliessen wie ein Strom in jedem von uns: der Strom der Form, d.h. unser Körper, der Strom der Empfindungen, der Strom der geistigpsychischen Formkräfte und der Strom unseres Bewusstseins. Als Avalokita das Wesen dieser fünf Ströme ergründete, sah er plötzlich, dass alle fünf leer sind. Und wenn wir fragen: „Leer von was?“ so gibt er uns zur Antwort: „Sie sind leer von einem eigenständigen, unabhängigen Selbst.“ Das bedeutet, keiner dieser fünf Ströme kann durch sich selbst existieren. Jeder muss aus den vier anderen Strömen bestehen. Sie sind nur gleichzeitig, und sie bedingen und durchdringen einander wechselseitig.
Avalokita sagt, dass ein Stück Papier leer ist, und er meint damit, dass es leer von selbständiger Existenz ist. Es kann nicht durch sich selbst sein. Es existiert nur durch die wechselseitige Durchdringung. Betrachten wir es in dieser Weise, so sehen wir, dass alles gleichzeitig in dem Stück Papier enthalten ist. – Zeit, Raum, die Erde, der Regen, die Mineralien der Erde, der Sonnenschein, die Wolke, der Fluss, die Hitze. Das Stück Papier ist, weil alles andere ist. Es ist ohne eigenständiges Selbst. Doch leer von einem eigenständigen Selbst zu sein bedeutet, erfüllt zu sein von allem. Also sagt Avalokita uns, dass Form leer ist. Form ist leer von einem eigenständigen Selbst, aber sie ist erfüllt von allen Phänomenen des Kosmos.
„Deren Leerheit erkennend überwand er alles Leiden.“
Es gibt keinen anderen Weg etwas zu erkennen, als dieses Etwas zu ergreifen und eins damit zu sein. Wir müssen das Stück Papier durchdringen, die Wolke sein, der Sonnenschein sein. Wenn wir es so erfassen und alles sind, was in ihm ist, wird unser Verstehen des Stück Papiers vollkommen sein.
Es gibt eine alte Geschichte über ein Salzkorn, das wissen wollte, wie salzig das Meer eigentlich ist. Um dies in Erfahrung zu bringen, sprang es ins Meer und wurde eins mit dem Wasser. Auf diese Weise erlangte das kleine Salzkorn vollkommenes Verstehen.
In seiner Meditation drang Avalokita tief in die fünf Skandhas ein. Indem er eintauchte in den Strom der Form, der Empfindungen, der Wahrnehmungen, der geistig-psychischen Formkräfte und den Strom des Bewusstseins, entdeckte er ihre leere Natur, und plötzlich überwand er alles Leiden. Wir alle, die wir diese Art der Befreiung erlangen möchten, müssen durch-schauen, um die wahre Natur der Leerheit zu durchdringen.
Thich Nhat Hanh
Aus dem Vortragszyklus der Brahmaviharas mit Dagmar Jauernig
Mudita ist der dritte Aspekt wahrer Liebe und das ist die Freude. Liebe ohne Freude ist keine Liebe, Freude und Liebe sind untrennbar, es gibt keine einseitige Freude, denn Freude muss auch den andren dienen.
Wir brauchen einen klaren Geist und ein warmes Herz, wenn wir nur an uns selber denken, erfahren wir keine wahre Freude. Jeder weiss, wie viel Freude es einem bereitet, wenn wir anderen eine Freude machen können.
Wenn ein Vogel einen Flügel verletzt hat,
fliegt er sehr schlecht,
zum Fliegen braucht es zwei Flügel
Wenn wir achtsam sind, bemerken wir viele Momente
der Freude:
Spielende Kinder
Frisches sauberes Wasser
Blühende Blumen am Wegrand
Wenn es unseren Mitmenschen gut geht
Das Bewusstsein , dass ich glücklich und zufrieden bin
Jeder hat so seine persönlichen Momente der Freude, am meisten freut es uns, wenn wir die Freude mit anderen teilen können.
Bei der Diskussion über die Freude, stellten wir fest, dass wenn jemand neidisch ist, auf das Glück des anderen, da kann keine Freude aufkommen, wo Neid ist, kann die Freude nicht echt sein und wo Neid ist, da kann man sich, ja auch nicht mitfreuen. Das schönste an der Freude, ist doch, dass man sich mit den anderen zusammen freuen kann. Mitfreude lässt sich in der Meditation und auch im Alltag üben. Sie kann gezielt kultiviert, aber nicht erzwungen werden. In Momenten, wo die Praxis der Mitfreude nicht gelingt oder sogar unecht wirkt, ist es sinnvoll, dies anzuerkennen und die Achtsamkeit darauf zu richten, was wir gerade wirklich fühlen, und das, was wir empfinden, mit einer freundlichen, offenen Haltung anzuerkennen.
Was wir alle kennen ist das Lächeln des Buddha, ein sanftes stilles, ein befreites Lächeln, ein Ausdruck der Freude. Auch Buddha Maitreya hat sein typisches Lächeln, ein verschmitztes Lächeln, der Lebensfreude, beides sind Spielarten der Freude.
Tich Nath Hanh wurde einmal gefragt was er für ein Zen lehre und seine Antwort war;
er lehre die Praxis der Freude.
Die Freude soll man wie eine Blume zum Blühen bringen, das heisst, pflegen und giessen.
Es gibt viele falsche Freuden, wie wir oft im Fernseher sehen, zum Beispiel Pleiten- Pech und Pannen, oder andere ähnliche Sendungen, da sieht man nur den lustigen Teil, und das löst Schadenfreude aus, eine eher negative Freude, der wir uns nur schwer entziehen können. Was wirklich geschieht und ob die Leute verletzt sind, diese Information, will niemand wissen, weil dann ja niemand mehr lachen würde. Ich finde das ein gutes Beispiel, was Freude ist und was nicht.
Auch die immer wieder gepriesene Achtsamkeit, ist eine stille Freude, wenn wir achtsam sind, sind wir ja offener und können uns auch über das Schöne und die unscheinbaren Dinge im Leben freuen.
Zum Abschluss des Abends las Dagmar noch ein Gedicht von Drukpa Rinpoche:
Schätze die Freude nicht gering, sie erfrischt und verhindert das ausdörren des Körper und des Herzen,
ohne Freude trägt das Glück keine Früchte, es ist dann wie ein Baum ohne Vögel,
der dem Winter entgegensieht.
Zum Schluss stellten wir fest, auch wenn die Freude abwesend ist, so ist es doch möglich Freude zu entwickeln.
28.09.2011 der Vortrag von Dagmar, wurde von Erwin nacherzählt
aus Vortragszyklus der Brahmaviharas mit Dagmar Jauernig auch noch lesen
Metta
Karuna
Am Montag war ich an einem Dharma Vortrag über das Herzsutra, von Marcel Geisser. Marcel meinte gerade zu Beginn, um das Herzsutra zu verwirklichen, reiche vermutlich ein Leben nicht aus, da bräuchten wir schon etwas länger. Auch in nur einem Abend, dieses Thema, ausreichend zu besprechen, reiche die Zeit kaum.
Das Herzsutra sei unbekannter Herkunft, die Autoren seien unbekannt, möglicherweise Chinesischer Ursprung. Es sei eine neueres Sutra, ca. 700 Jahre nach Buddha entstanden. Das Herzsutra ist die Essenz der Prajnaparamita-Sutras, es ist in der Form eines Theaters aufgebaut. In der Hauptrolle Aspekte der göttlichen Weisheit, der Bodhisattwa Avalokitashwara in China und Vietnam auch , in der weiblichen Form, als Göttin Quan-Jin bekannt. Ich könnte mir gut vorstellen, wie Mönche in einem Kloster im alten China, den Avalokitashwara und den Shariputra spielen und so tiefe Erkenntnisse erfahren durften.
Avalokitashwara spielt in diesem Theaterstück, den Buddha. Die zweite Person in diesem Theaterstück ist Shariputra,ein Hauptschüler des historischen Buddhas, er ist der Schüler und hört sich die Erkenntnisse von Avalokita an. Thich Nath Hanh nennt Avalokitashwara, liebevoll Avalokita und so wollen wir ihn hier auch nennen. Es ist die weibliche Form von Avalokiteshvara, und im Buddhismus kommt das weibliche schon etwas zu kurz.
Der Bodhisattva Avalokiteshvara, weilte tief im Strom vollkommenen Verstehens. Er erhellte den Prozess der zu Illusion einer abgeschlossenen Persönlichkeit führt. Deren Leerheit erkennend überwand er alles Leiden.
Ein Bodhisattva ist ein Wesen, welches auf dem Weg zur Erleuchtung ist, in der Meditation hat er erkannt, dass das Leben ein Prozess ist und dass, das was wir meinen, dass sei unsere Persönlichkeit, in Wirklichkeit eine Illusion ist. Er erkannte dass alles leer ist. Und wenn alles leer ist, dann hat es auch keine Form
Höre Shariputra „Form ist Leerheit, Leerheit ist Form, Form ist nichts anderes als Leerheit, Leerheit ist nichts anderes als Form. Genauso sind Empfindungen, Wahrnehmungen, geistige Formkräfte und Bewusstsein leer von einem abgetrennten Selbst.
Marcel hat uns gefragt; “wenn etwas uns gehört, so kann ich damit doch machen was ich will. Warum befolgt unser Körper unsere Anweisungen nicht und verändert sich dauernd. Wenn sich mein Körper dauernd verändert, dann gehört er mir doch, nicht wirklich, dann hat er auch keinen bleibenden Kern und somit habe ich keine Autorität über meinen Körper.
Höre, Shariputra, „alle Phänomene bedingen sich gegenseitig. Weder entstehen Sie, noch vergehen Sie. Sie sind weder rein noch unrein, weder werden sie grösser, noch werden Sie kleiner. Daher sind Form, Empfindung Wahrnehmung, geistige Formkraft und Bewusstsein künstliche Begriffe. Das Auge besteht ausschliesslich aus Nicht-Auge Elementen. Dasselbe gilt für Ohr, Nase, Zunge, Körper und Geist. Deshalb gibt es keine Form keinen Klang keinen Geruch keinen Geschmack, kein berührbares, kein Objekt des Geistes. Da alle Dinge in Ihrer Soheit unbeschreibbar sind, gibt es kein Entstehen und kein Erlöschen; kein Leiden, keinen Ursprung des Leidens, kein Ende des Leidens und keinen Weg. Kein Verstehen und kein Erlangen.
Wann ist eine Rose noch eine Rose und ab wann ist es keine Rose mehr, wenn die Rose auf den Kompost kommt, ist es dann immer noch eine Rose? Die Rose ist verwelkt, aber im nächsten Jahr werden am Rosenstock, wieder neu Rosenknospen erblühen und eine neue Rose ist wieder erblüht, die gleiche und doch nicht die gleiche.
Wir meinen unser Körper sei etwas Beständiges und wenn wir tiefer schauen, sehen wir, dass alles zusammengesetzt ist. Die fünf Skandas sind unbeständig und verändern sich dauernd. Unser Körper besteht aus Millionen von Zellen und Milliarden von Mikroorganismen. Es ist ein Prozess von Werden und Vergehen. Wir haben diesem Prozess Nahmen gegeben und eingeteilt in künstliche Begriffe, in trennendes, in duales, dass wenn wir aber tiefer schauen, sich auflöst und wir staunen, weil das was wir sehen, wirklich unbeschreibbar ist und weil es ohne unser eigenem dazu tun, einfach geschieht, darum besteht auch kein Grund mehr zum Leiden. Solang wir an irgendetwas anhaften, Leiden wir.
Weil es kein Erlangen gibt, finden die Bodhisattwas, durch ihr vollkommenes Verstehen von Intersein, keine Hindernisse in Ihrem Geist. Keine Hindernisse erlebend, überwinden Sie die Angst, befreien sich für immer von Täuschung und verwirklichen vollkommenes Nirvana. Alle Buddhas der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft erlangen dank dieses vollkommenen Verstehens, Volle wahre und universale Erleuchtung.
Wenn es uns gelingt, wunschlos zu werden und Verstehen, dass wenn wir keine Hindernisse mehr in unserem Geist aufbauen und lernen mit uns selber in Frieden zu leben können auch wir zu Buddhas der Zukunft werden und das andere Ufer erreichen
Vollkommenes Verstehen ist das höchste Mantra. das Mantra , das die Dualität überschreitet. das alles Leiden aufhebt, die unzerstörbare Wahrheit. Das Mantra der Prajnaparamita sollte daher verkündet werden.
Dies ist das Mantra
Gate gate paragate parasamgate bodhi svaha
darüber hinaus überwunden vollkommen ganz Erleuchtung heil
Gegangen, gegangen, hinüber gegangen gemeinsam vollkommen hinübergegangen zum Ufer der Nicht-Zweiheit, der Erleuchtung.
Das Bildnis des Flusses, wo wir, mit der Lehre des Buddha als Floss hinüber kommen von der Zweiheit zur Einheit, zum Erkennen dieser Wahrheit
Sei es zum Wohle aller !
8.09.2011 Nacherzählt so gut ich, das noch weiss von Erwin
Dharma-Vortrag von Marcel Geisser