Öffnen wir anderen unser Herz…
kann das Ausmaß des Leids,
mit dem wir dann in Berührung kommen,
überwältigend sein…
Unsere Empfindungen
von Liebe und Mitgefühl
können in einen
regelrechten Schockzustand geraten.
Dann ist es hilfreich,
sich in Erinnerung zu rufen,
dass schlichte Freundlichkeit
mitunter das wirkungsvollste Heilmittel ist,
das wir für jegliches Leid anbieten können.
Dzogchen Ponlop Rinpoche (*1965)
Mystik aktuell
Herz
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Weisheit entsteht, wenn man in allen Lebenslagen achtsam ist. Eure Praxis sollte am Morgen beginnen, wenn ihr erwacht. Und sie sollte weitergehen, bis ihr abends in den Schlaf fällt.
Wichtig ist nur, dass ihr aufmerksam bleibt, ob ihr nun arbeitet oder meditiert oder die Toilette benutzt. Versucht achtsam zu sein und den Dingen ihren Lauf zu lassen.
Dann wird euer Geist immer ruhiger und ruhiger, ganz egal, in welcher Umgebung ihr euch aufhaltet. Er wird still wie eine klare Bergquelle. Dann kommen alle möglichen Tiere, um an der Quelle zu trinken.
Ihr seht die Dinge der Welt ganz klar, ihr seht seltsame und wunderbare Dinge kommen und gehen. Aber ihr werdet still bleiben.
Dies ist das Glück des Buddha.
Ajahn Chah
Das reife Herz ist nicht perfektionistisch. Es im Mitgefühl für unser Wesen verankert und versteigt sich nicht zu irgendwelchen geistigen Idealen. Eine nicht idealistisch ausgerichtete Spiritualität strebt nicht nach einer vollkommenen Welt. Sie versucht nicht, uns selbst zu vervollkommnen, unseren Körper, unsere Persönlichkeit. Sie hegt keine romantischen Vorstellungen über spirituelle Lehrer oder die Erleuchtung, sie klammert sich nicht an Illusionen, von irgendwelchen besonders reinen spirituellen Wesen da draussen. Sie bemüht sich nicht, spirituell etwas zu erreichen, sondern will nur lieben und frei sein.
Reife Spiritualität strebt nicht nach Vollkommenheit oder nach einer imaginären Reinheit. Sie wurzelt in der Fähigkeit loszulassen, das Herz für die ganze Bandbreite des Lebens zu öffnen. Ohne Vorstellungen davon, wie etwas sein müsste, kann das Herz all das Leid, all die Unvollkommenheit, denen wir begegnen, in den Pfad des Mitgefühls verwandeln.
Jack Kornfield
Der spirituelle Pfad ist ein Pfad der Läuterung von Herz und Geist. Wir können jede Möglichkeit dazu benutzen und brauchen diesen Lernprozess nie zu unterbrechen. Jedes Mal wenn wir eine Gelegenheit, das Heilsame zu üben, genutzt haben, werden wir ein Gefühl der Erleichterung empfinden. Hassen, ablehnen, ärgern ist beschwerend und bedrückend. Es ist nicht möglich, glücklich zu sein, wenn wir uns ärgern. Glücklich zu sein, wenn wir lieben, ist ganz einfach. Leider haben wir eine falsche Auffassung vom Lieben. Wir glauben im Grunde, das es bedeutet, geliebt zu werden. Diese Idee fallen zu lassen ist schon ein Prozess der Läuterung und eine Übung im Loslassen.
Für das spirituelle Wachstum ist „loslassen“ das wichtigste Wort, das wir uns merken müssen. Je weiter wir diesen Pfad der Läuterung gehen, desto einfacher wird unser Leben. je mehr wir festhalten, desto schwieriger wird es. Wir brauchen uns nur einmal vorzustellen, wie ein Mensch versucht, unendlich viele Dinge an sich zu raffen und sie dann mit Armen und Händen zu umschlingen und festzuhalten. Andauern fällt ihm etwas herunter. Er muss sich bücken, um es aufzuheben. Dann fällt schon das nächste runter. Es wird ihm schwer und ungemütlich zumute mit all den Dingen. die er da festhält. Eines Tages sagt er dann: „Jetzt habe ich aber genug!“ – und lässt alles fallen. Was passiert dann? Ganz einfach folgendes: er braucht sich nicht mehr zu bücken und fühlt sich nicht mehr beschwert. Wir wissen leider nicht, dass es so einfach ist. Weil alle anderen um uns herum festhalten, glauben wir, wir müssten das auch tun. Sobald wir aber einmal ausprobiert haben, wie einfach es ist, loszulassen, werden wir den Segen darin erkennen. Es gibt keinen grösseren.
Eine Eigenart der westlichen Menschen ist es ununterbrochen Fragen zu stellen, und so wurde Achan Chah, ein Thailändischer Meditationslehrer, eines Tages folgende Frage vorgelegt:
„Du redest immer davon, dass man an nichts festhalten soll, dass man alles loslassen soll, aber du hast doch auch viele Dinge hier in deiner Hütte. Wie kommt das? Achan Chah antwortete mit einer Gegenfrage: „Siehst du dieses mit Wasser gefülltes Glas auf dem Tisch?“ Der Frager bejahte das. „Nun“ führte der Meister aus, „aus diesem Glas kann ich Wasser trinken, wenn ich durstig bin. Ausserdem ist es ein schönes Glas, das ich einmal geschenkt bekam. Trotzdem ist das Glas für mich schon zerbrochen“
Es ist eigentlich ganz einfach. Solange das Glas noch nicht zerbrochen ist, bleibt es nützlich und man kann sich daran erfreuen. Ganz sicher ist jedoch, dass es irgendwann zerbrechen wird, weil alles vergänglich ist. Achan Chah würde aber dem Glas nicht nachtrauern, denn für ihn war es ja bereits zerbrochen. Diese Tatsache sollten wir uns stets bewusst sein, dann fällt es uns nicht schwer, loszulassen, so dass die Angst vor dem sicheren Verlust schwindet. Haben wir gelernt, vor allen Dingen von unserer Meinung von uns selbst loszulassen gibt es keine Probleme mehr. Wenn wir bei allem was wir betrachten, daran denken, dass nichts Bestand hat, werden wir loslassen können und sind damit auf dem Wege der Läuterung. Bedauern, Hass und Gier haben keine Angriffspunkte mehr, wenn wir wissen wie anstrengend Festhalten letzten Endes ist.
Mit der Liebe ist es genau so: Solange wir einen Besitzanspruch haben, wird es Probleme geben. Betrachten wir jedoch alles so, als ob es bereits zerbrochen wäre, werden wir erkennen, dass nichts anderes wichtig ist als die Läuterung unserer Emotionen. Denn eines steht felsenfest. Alles wird zerbrechen, sich verändern, zu Ende gehen. Jeder Mensch der geboren wird, muss sterben, und jeder Geist, der an etwas Bestimmtes denkt, wird bald an etwas anderes denken.
Unsere Emotionen vernebeln unseren Geist und erst die Läuterung der Emotionen bringt Klarheit. Solange uns unsere Emotionen übermannen, sind wir nur mit ihnen beschäftigt. Wir können das mit den Wellen im Ozeans vergleichen. Solange wir inmitten der Wellen befinden, sehen wir nur Wasser das uns berührt. Erst wenn der Meeresspiegel sich geglättet hat, können wir in die Tiefe schauen und erkennen, was sich auf dem Meeresboden befindet. Erst wenn Ruhe in unser im unser Herz eingekehrt ist, kann unser Geist eine Tiefenperspektieve gewinnen.
Aus dem Buch „Die Früchte des spirituellen Lebens“ von Ayya Khema