Zenlehrer
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Ein Schüler des Zens
kommt zu Zen-Meister Nansen
und fragt ihn: „
Was ist der wahre Weg? „
Der Meister erwidert:
„Der alltägliche Weg ist der wahre Weg. „
Wiederum fragt der Schüler:
“ kann man den wahren Weg erlernen? „
Der Meister antwortet:
„Je mehr du lernst,
desto weiter kommst du vom Weg. „
Darauf fragt der Schüler:
„Wenn man dem Weg nicht durch Lernen,
näher kommen kann,
wie kann man ihn dann erkennen?“
Meister Nansen spricht:
„Der Weg ist kein sichtbares Ding.
Er ist auch kein unsichtbares Ding.
Er ist nichts Erkennbares und auch nichts Unerkennbares.
Suche ihn nicht, lerne ihn nicht, nenne ihn nicht.“
“ Sei offen wie der Himmel und du bist auf dem Weg.“
aus dem Buch:
Zen – Jenseits aller Worte.
Unterweisungen eines westlichen Zen-Meisters von Wolfgang Kopp (Autor)
erstveröffentlicht am: 23. Jan 2010 @ 13:54
Zenmeister Unmon sagte in seiner Unterweisung:
„Jeder Tag ist ein guter Tag.“
Etty Hillesum, jüdische Schriftstellerin aus den Niederlanden, die von den Nazis nach Auschwitz deportiert
und ermordet wurde, schrieb in ihrem Tagebuch:
…Ich bin schon tausend Tode in tausend Konzentrationslagern gestorben…
Und doch finde ich das Leben schön und sinnvoll. Jede einzelne Minute…
…Es klingt fast paradox: Wenn man den Tod aus seinem Leben verdrängt,
ist das Leben niemals vollständig, wenn man aber den Tod in sein Leben aufnimmt,
wird das Leben grösser und reicher…
…Ich sitze am Ufer eines riesigen Ozeans, so transparent, dass ich den Grund erkennen kann…
…Ich fühle, wie plötzlich das Leben in seinen tausend Einzelheiten,
Windungen und Krümmungen vollkommen klar und durchsichtig geworden ist…
…Es gibt so viele Wunder im menschlichen Leben.
Mein eigenes Leben ist eine lange Kette von inneren Wundern.
Ama Samy
Als ich den Waldmönch Ajahn Chah einmal fragte,
was das grösste Problem seiner Schüler sei meinte er:
„Ihre Ansichten.
Sie haben zu allem und jedem eine feste Meinung,
über sich selbst, über die Praxis, über die Lehren des Buddha…
Sie sind viel zu schlau, um noch zuzuhören.
Das ist, als wolle man Wasser in eine Tasse füllen
und entdeckt, dass die Tasse voll mit altem, abgestandenem Tee ist.
Die Tasse wird erst wieder brauchbar, wenn der alte Tee weggeschüttet wird.
Ihr müsst euren Geist von euren Ansichten befreien.“
Jack Kornfield
Nachdem Buddha volle neunundvierzig Jahre gelehrt und gepredigt hatte, meinte er, er habe noch kein einziges wahres Wort gesprochen.
Kein Sterblicher kann sich absolut sicher sein, ob er die Wahrheit kennt. Das Grundproblem ist, dass wir über keine Möglichkeit verfügen, aus unserem eigenen System (unserem eigenen Geist) aus zu steigen und von aussen her zu sehen, was nun eigentlich wirklich vor sich geht. Die Naturgesetze sind alles relative Wahrheiten; sie sind relativ zu unserem Wahrnehmungssystem, relativ zu unserem derzeitigen wissenschaftlichen Verständnis und relativ zu unserem subjektiven Geist.
Zenlehrer Seung Sung sagt:
„Ein Ich-weiss-nichts-Geist durchtrennt das Denken.
Er ist vor dem Denken. Vor dem Denken gibt es keinen Gott,
keinen Buddha, kein „Ich“, keine Worte
überhaupt nichts. Dann werden du und das Universum eins.“
Kenneth S. Leong
Wir üben uns in der ‘Achtsamkeit des Körpers‘, im Stehen, im Gehen, im Sitzen, bei der Atem-Erfahrung oder bei anderen Körperempfindungen. Dies ist die erste Grundlage der Achtsamkeit, nach Buddhas Lehrrede.
Dieses Zentriert-Sein und Anwesend-Sein im Körper, auf dieser Erde, in diesem Moment, ist wie wir wissen, ganz wesentlich. Es verankert uns im Hier und Jetzt – wir lernen, in uns selbst (wieder) zuhause zu sein. Es hilft uns, die sich ständig verändernde, vergängliche Natur der äusseren und der körperlichen Realität zu erkennen und anzunehmen. Das ist ein wesentlicher Aspekt der Praxis, aber noch längsten nicht alles.
Letztlich sind es der Geist, unser Denken, unser Fühlen, unsere inneren Haltungen und Absichten, die uns entscheidend prägen – und damit auch unser emotionales und mentales Leiden oder Wohlergehen.
Lama Thubten Yeshe betonte:
„Was ihr tun müsst, wenn ihr euer eigener Dharma-Lehrer sein wollt ist, euren Geist jeden Tag überprüfen. Ihr überprüft schon täglich materielle Dinge: Jeden Morgen überprüft ihr die Nahrungsmittel in der Küche. Aber ihr vergesst, euren Geist zu überprüfen. Euren Geist zu überprüfen, ist aber viel wichtiger.“
Fred von Allmen
Der Zenweg wird oft der mittlere Weg genannt. Er ist aber nicht einfach ein Kompromiss zwischen den Extremen, sondern integriert und übersteigt Dinge, die wir oft als Gegensätze empfinden. In der Haltung zum Beispiel, braucht es Spannung und Entspannung. Die gute Spannung siedeln wir dabei im Raum der Wirbelsäule an, die uns aufrecht und aufrichtig da sitzen lässt. Dort erspüre Festigkeit, Halt, Ruhe und zugleich Flexibilität. Wenn immer du Halt brauchst, verbinde dich ganz bewusst mit deiner Wirbelsäule. Gleichzeitig sind wir auch völlig offen und durchlässig. Diese Qualität der Offenheit und Durchlässigkeit siedeln wir im Bereich des Brustraumes an. Dort erspüre Sanftheit, Durchlässigkeit und offene Weite, so dass dein Atem frei fliessen kann. Und beides gilt ganz: Sitze in einer guten Spannung und zugleich ganz gelöst, geerdet und zugleich aufgerichtet, entschieden nach innen gerichtet, eins mit deinem Atem und zugleich offen und weit, eins mit allem…
Marcel Steiner
Unsere Welt ist vom Begehren bestimmt. Ohne sexuelles Begehren, wären wir gar nicht auf dieser Welt. Ohne Begehren, Wünsche, Lust, wären wir schon längst gestorben. Es gibt das Verlangen nach Liebe, Nähe, Verständnis, Wachstum. Wenn Menschen ihre Lust zu leben verlieren, springen sie von der nächsten Brücke oder schlucken Tabletten. Wir können ohne Begehren nicht sein, und doch stellt es für uns auch eine grosse Herausforderung dar. Viele Menschen denken fälschlicherweise, der Buddhismus verurteile das Begehren. Doch wir können das Begehren nicht auslöschen. Die Buddhistische Psychologie unterscheidet nur zwischen heilsamem und unheilsamem Begehren. Den dies führt uns zu einer Freiheit, die weit grösser ist als das Reich der Begierde. Damit können wir Begehren in einen wahren Reichtum verwandeln.
Jack Kornfield aus Das weise Herz
Von Morgens früh bis am Abend spät fällt mein unruhiger Geist seine Urteile – meistens ohne dass ich es überhaupt bemerke: Buddha spricht vom „Affengeist“, der im Kopf herumturnt und sich von einem Gedanken zum nächsten schwingt. Der Affengeist kategorisiert, bewertet und schubladisiert. Immer will er das eine und das andere nicht. Der Affengeist entwirft immer neue Szenarien einer möglichen Zukunft und raubt mir dabei die Gegenwart.
Zur Einstimmung in die Gegenwart verhilft eine ganz einfache Frage:
Was ist falsch an diesem Augenblick jetzt?
Der Affengeist will immer etwas anderes als das, was ist. Aber was ist falsch an diesem Augenblick?
Je stärker ich mich auf diese Frage konzentriere, je präziser ich meine Aufmerksamkeit auf die Schnittstelle richte, wo Vergangenheit und Zukunft sich treffen, auf diesen Punkt, an dem ich jetzt bin, umso deutlicher wird mir:
Nichts ist falsch. Ich bin da, ich atme, ich darf sein. Leben in Fülle.
Je tiefer ich diesen Moment wahrnehme, umso deutlicher spüre ich:
Es ist gut so.
Die Unruhe legt sich. Es wird still. Ich komme an. Ich bin hier. In der Wirklichkeit des gegenwärtigen Augenblicks.
Lorenz Marti
Meditation wird zur lebendigen Erfahrung, weil wir lernen, unsere gewohnheitsmässige Verstrickung in die Geschichten, Konflikte, Projekte und Sorgen, mithilfe derer wir unser Selbst konstruieren, loszulassen und immer tiefer im Gewahrsein zu verweilen. Durch Nicht-Identifikation mit unseren Gedanken und Emotionen ruhen wir im Gewahrsein selbst und erfahren die natürliche Leichtigkeit des Herzens. Das achtsame Verweilen stärkt unser Samadhi (Konzentration), was den Geist stabilisiert und klärt, sodass Prajna, die Weisheit, aufblitzen kann, die die Dinge so sieht, wie sie sind.
Wir öffnen den Fokus unserer Aufmerksamkeit ganz weit, sodass unser Gewahrsein weit wie der Raum oder der Himmel wird. Buddha sagte:
„Entwickle einen Geist, der so offen ist wie der Raum, in dem angenehme und unangenehme Erfahrungen entstehen und vergehen können, ohne Konflikte oder Leid hervorzurufen. Verweile in diesem Geist wie im weiten Himmel.“
Wir lassen alle Erfahrungen zu, ohne Grenzen, ohne innen oder aussen. Wir lassen unser gewohntes Orientierungsraster, das den Geist als „in unserem Kopf“ verortet, los und spüren, wie der Geist in seinem Gewahrsein offen, grenzenlos und weit ist. Wir lassen unser Gewahrsein sich in alle Richtungen ausdehnen. Wir lassen zu, dass unser Gewahrsein ein Bewusstsein erlebt, das nicht an der vereinzelten Erfahrung des Sehens, Hörens oder Empfindens klebt, sondern das von diesen Bedingungen völlig unabhängig ist – das Unbedingte. Wir ruhen im reinen, zeitlosen und ungeborenen Gewahrsein. Der Meditierende erlebt dies nicht als Ideal, als abgehobene Erfahrung, denn dieses Gewahrsein ist immer zugänglich, immer präsent, absolut befreiend: Es ist der Ort, an dem sich das weise Herz ausruht.
Wir verweilen in dieser Offenheit und lassen die Empfindungen kommen und gehen. Wir lassen die Gedanken und Bilder, Gefühle und Geräusche dahinziehen wie die Wolken im klaren, offenen Raum unseres Gewahrseins. Wir erkennen, dass der offene Raum des Gewahrseins klar ist, durchscheinend, zeitlos und ohne Einschränkungen – er ist offen für alles, ohne sich davon begrenzen zu lassen.
Der Buddha sagte: „O Hochgeborener, erinnere dich des reinen, offenen Himmels deiner wahren Natur. Kehre dahin zurück. Vertraue ihm. Er ist deine Heimat.“
Jack Kornfield
In der buddhistischen Psychologie hat der Begriff „Eigendünkel“ eine besondere Bedeutung: Er bezeichnet jene Aktivität des Geistes, die sich selbst mit anderen vergleicht.
Wenn wir über uns selbst nachdenken und uns besser als, genau so wie oder schlechter als jemand anders finden, verleihen wir unserer Eitelkeit Ausdruck.
Dieser vergleichende Verstand wird „Eigendünkel“ genannt, weil alle Formen davon – ob es sich nun um „Ich bin besser als…“ oder „Ich bin schlechter als…“ oder „Ich bin genau so wie…“ handelt – der Illusion entstammen, dass es ein Selbst gibt; sie beziehen sich alle auf ein Gefühl von „Ich“, ein Gefühl des „Ich bin“.
Die gute Nachricht ist, dass wir uns hinsichtlich des Eigendünkels, wenn er auftritt, nicht entmutigen lassen beziehungsweise uns selbst nicht verurteilen müssen. Taucht ein vergleichender Gedanke auf, können wir ihn einfach nur sehen – „Oh hier ist er wieder!“ –, ohne überrascht zu sein. Wir beginnen mit ihm zu arbeiten, indem wir ihn annehmen.
Das Gegenmittel bei Eitelkeit besteht darin, direkt in die Achtsamkeit zurückzugehen und sich auf die Vergänglichkeit der Erscheinungen zu konzentrieren.
Wenn unser Verstand sich an Vergleichen festhält, hält er an der Wahrnehmung von „Ich und eine andere Person“ fest. Wir verwickeln uns in jenem Illusionären, gedanklichen Rahmen des „Ich“ und des „Anderen“. Wir stellen solche Vergleiche an, wenn wir nicht sehen, wie alles – ja sogar der Gedanke an ich und die anderen – unaufhörlich entsteht und wieder vergeht. Die Inhalte dieser Gedanken lassen uns in die Falle tappen, weil wir die Vergänglichkeit der Gedanken selbst nicht erkennen.
Der vergleichende Verstand verschwindet, wenn es uns gelingt, ihn zu sehen.
Joseph Goldstein
Vipassana-Meditation, Die Praxis der Freiheit
Buddhistische Aufmerksamkeitsmeditation als Weg zu innerer Freiheit
Arbor-Verlag
Wenn wir an Dingen festhalten und diese sich verändern, macht uns das glücklich? Oder wenn wir wollen, dass die Dinge so sind, wie wir es gern hätten (wenn wir beispielsweise wollen, dass unser Geist immer ruhig und still ist oder dass unser Körper immer bestimmte Empfindungen hat), macht das überhaupt Sinn? Ist es schon jemals einem Menschen gelungen, einen geistigen oder physischen Zustand für alle Zeiten aufrechtzuerhalten? Gerade unser Bedürfnis ruhig zu sein oder frei zu sein, unsere spirituellen Wünsche, unsere subtilen Ängste vor dem, was tatsächlich der Fall ist, all das lässt uns ständig in einem Konfliktzustand leben und legt uns in Ketten. Es geht nicht darum, am Ende einen bestimmten Zustand oder ein Ideal zu erreichen, sondern darum, wieder ins Zentrum des eigenen Seins zu gelangen, hier und jetzt.
Wir sehen Gedanken auftauchen und verschwinden, Stimmungen entstehen und vergehen, Körperempfindungen kommen und gehen – gemäss den Gesetzen der Bedingtheit. Wir sind nicht die Lenker dieses Prozesses. Die Veränderung entzieht sich unserer Kontrolle. Wir lassen los. Nicht, weil wir jemanden nachahmen oder weil dies von uns erwartet wird, sondern ganz natürlich, weil wir es selbst einsehen und weil wir die Natur der Dinge erkennen.
Suzuki Rôshi sagt: „Nichts existiert anders als im Augenblick, in seiner gegenwärtigen Form und Farbe. Ein Ding fliesst in ein anderes über und ist nicht greifbar. Bevor der Regen endet, hören wir einen Vogel. Selbst unter der dichtesten Schneedecke sehen wir Schneeglöckchen und neue Sprosse.“
Die Wahrheit unseres Seins ist ganz einfach dieser Prozess der fliessenden Veränderung. Alles ist unbeständig. Nichts ist es wert, dass man danach greift, weil nichts dauerhaft ist. Alles ist leer, ohne Selbst, wie Wolken, die den Himmel durchziehen. Wenn wir wissen, dass nichts sicher ist, dass es keinen festen Platz gibt, an dem wir stehen können, können wir loslassen, sein lassen und zur Ruhe kommen. Wir entdecken die tiefe Bedeutung dessen, was es heisst, loszulassen. Denn je mehr wir greifen und festhalten – den Körper, die Sinne, die Gefühle, die Erinnerungen, die Vorstellungen, die Reaktionen und die Beobachtung – , umso mehr schaffen wir auch ein abgetrenntes „Selbst“ und umso stärker leiden wir unter unserer Anhaftung.
Wenn der Geist aufhört, zu wollen und zu urteilen und sich mit allem zu identifizieren, was auftaucht, sehen wir den leeren Fluss der Erfahrung so, wie er ist. Wir gelangen dann zu einem Grund der Stille und der wesenseigenen Vollkommenheit. Wenn wir aufhören zu kämpfen und sein lassen, was ist, äussert sich die natürliche Weisheit, Freude und Freiheit unseres Seins und verschafft sich mühelos Ausdruck. Unsere Handlungen können dann aus spontanem Mitgefühl entstehen, und unsere angeborene Weisheit lenkt unser Leben vom Herzen aus.
Bei der Meditation lernen wir, uns mit einer Aufmerksamkeit, die von ganzem Herzen kommt, zu sorgen, sorgsam mit jedem Augenblick umzugehen. Wir picken uns nicht die Erfahrungen heraus, die uns Freude machen, sondern entwickeln ein Gefühl der Harmonie, wir öffnen uns ständig der Wahrheit in uns und verbinden uns dem gesamten Leben. Wie der grosse tibetische Lama Karmapa sagte: „Dies bedeutet, das Üben zu leben, statt es einfach nur zu tun.“
Jack Kornfield
Charaktertypen aus Buddhistischer Sicht –
eine spirituelle Psychologie.
Am Montag war es wieder einmal so weit, ein Dharmagespräch mit Marcel Geisser
in der Sangha Zürich. Marcel Geisser ist seit vielen Jahren Zen-Lehrer im Haus Tao.
Diese 5 Buddhafamilien sind unsere Ich oder Ego Charakter die wir eigentlich alle kennen, nur erzählt sie uns Marcel in Form einer Geschichte, wie sich die unterschiedlichen Charakter benehmen würden bei einem Besuch oder auch wenn wir bei ihnen zu Besuch wären.
über diesen Link kommt ihr zu Sound Cloud wo ihr den Votrag hören könnt. Entschuldigt die Störungen zu Beginn des Votrags es wird aber besser.
http://soundcloud.com/zentao45/die-5-buddhafamilien-ein
14.11.2012 Erwin
Kommentar zum Herzsutra
Höre, Shariputra, Form ist Leerheit – Leerheit ist Form, Form ist nichts anderes als Leerheit – Leerheit ist nichts anderes als Form. Genauso sind Empfindungen, Wahrnehmungen, geistige Formkräfte und Bewusstsein leer von einem abgetrennten Selbst.
Form ist die Welle und Leerheit ist das Wasser. Mit Hilfe dieser Vorstellung könnt ihr verstehen. Die Inder sprechen eine Sprache, deren Bilder uns irritieren können, aber wir müssen ihre Ausdrucksweise begreifen, um sie wirklich zu verstehen. Wenn wir im Westen einen Kreis zeichnen, so symbolisiert er für uns die Null, das Nichts. In Indien hingegen symbolisiert ein Kreis Ganzheit, Totalität. Die Bedeutung ist gegenteilig.
„Form ist Leerheit, Leerheit ist Form.“ Auf unsere Vorstellung übertragen bedeutet das: Welle ist Wasser, Wasser ist Welle. In der vietnamesischen Literatur gibt es zwei Zeilen in dem Gedicht eines Zen-Meisters aus dem 12. Jhr., die folgendermassen lauten:
„Wenn es existiert, dann existiert ein einziges Staubkorn. Wenn es nicht existiert, dann existiert der gesamte Kosmos nicht.“
Der Zen-Meister drückt damit aus, dass die Vorstellung von Existenz und Nicht-Existenz nur durch unseren Geist geschaffen sind. Er sagte auch:
„Der gesamte Kosmos kann auf der Spitze eines Haares Platz finden, und Sonne und Mond können in einem Senfkorn erblickt werden.“
Dies sind Bilder, die uns zeigen, dass eins alles enthält und alles nur eins ist. Weil Form Leerheit ist, ist Form überhaupt möglich. In der Form finden wir alles andere – Empfindungen, Wahrnehmungen, geist-psychische Formkräfte und Bewusstsein. Leerheit bedeutet, leer von einem eigenständigen Selbst zu sein; bedeutet, voll von allem erfüllt von Leben zu sein. Leerheit ist die Grundlage von allem. Dank der Leerheit ist alles möglich. Wenn ich nicht leer wäre, könnte ich nicht sein, und wenn ihr nicht leer wäret, könntet ihr nicht sein. Weil ihr seid, kann auch ich sein. Form hat keine selbständige Existenz. Leerheit ist Unbeständigkeit, steter Wandel.
Wenn ihr ein Getreidekorn in die Erde einpflanzt, so hofft ihr, dass daraus eine grosse Getreidepflanze wird. Gäbe es keine Unbeständigkeit, so bliebe das Getreidekorn für immer ein Getreidekorn, ihr hättet niemals eine Ähre und könntet niemals Getreide essen. Unbeständigkeit ist die entscheidende Voraussetzung für alles Leben. Leerheit ist die Basis von allem. Dank der Leerheit ist Leben möglich.
THICH NHAT HANH
aus Herzsutra Teil 2
ganzes Herzsutra lesen: http://zentao.wordpress.com/herz-sutra/
Die Entstehung von allem wird im Buddhismus als „Ineinandersein“ bezeichnet. Geburt, Wachstum und Verfall jedes Dinges hängen von vielfältigen Ursachen und Bedingungen ab und nicht nur von einer einzigen. Die Gegenwart eines einzigen Dinges (dharma) impliziert die Gegenwart aller anderen Dinge. Der erleuchtete Mensch sieht jedes Ding nicht als abgetrenntes, in sich stehendes Wesen, sondern als Manifestation der gesamten Wirklichkeit. Im zwölften Jahrhundert hat der vietnamesische Mönch Dao Hanh gesagt: Wenn ein Ding existiert, existiert alles, sogar jedes Staubkorn. Wenn ein Ding leer ist, ist alles leer, sogar das gesamte Universum.“
Die Lehre vom Nicht-Selbst zielt darauf ab, deutlich vor Augen zu führen, dass alle Dinge ihrer Natur nach ineinander sind, gleichzeitig zeigt sie uns, dass die Begriffe, die wir von den Dingen haben, die Wirklichkeit nicht angemessen reflektieren und sie nicht wiedergeben können. Die Welt der Begriffe ist nicht die Welt des Wirklichen. Das begriffliche Wissen ist kein vollkommenes Instrument zum Erwerb der Wahrheit. Worte taugen nicht, um die Wahrheit der letzten Wirklichkeit auszudrücken.
Aus „Schlüssel zum Zen“ von Thich Nhat Hanh