Die meisten Menschen, die meditieren, machen mit der Zeit die Erfahrung, dass die Zeit nahezu aufgehoben ist, es keine Zeit gibt. Manchmal überfällt uns aber die Langeweile und wir warten, hoffen, dass nun endlich die Zeit herum ist und wir die Meditation beenden können.
Langeweile heisst, dass wir nicht im Augenblick mehr sein wollen, weil das Jetzt nicht mehr mit Sinn erfüllt ist.
Langweilig wird es uns, weil es nichts zu tun gibt. Aber ist das nicht genau die Übung, die wir in der Meditation anstreben, in den offenen, zweckfreien Raum zu kommen?
Langeweile ist die Urmutter der Kontemplation. Wenn die Langeweile da ist, öffnet sich mit einem Male ein anderer, neuer Raum, der uns in eine andere, neue Lebensqualität einführen will. Das ist der zweckfreie, offene Raum der Kontemplation, wo es nichts mehr zu erwarten, zu finden, zu suchen, zu erreichen gibt. Wo wir einfach nur da sein dürfen mit dem, was wir gerade mitbringen, was wir gerade sind. Dasein mit diesem einen, einzigen Atemzug, der gerade geschieht. Den bewusst wahrnehmen, annehmen, aufnehmen, spüren wie der Atem kommt und geht, wie er fliesst und mich mit seiner Lebendigkeit durchdringt. Alle Leistung, alles Schaffen, Machen Müssen hat ein Ende in der Langen-Weile, denn – „gut Ding will Weile haben!“.
Langeweile ist das offene, gepflügte Feld, in das hinein der Samen meines Lebens fallen kann, um zu keimen, zu wachsen und am Ende die Frucht zu bringen.
Durch die Meditation schaffen und gestalten wir uns also bewusst einen Platz und einen Raum um Lebensräume zu erfahren, die wir geniessen, in denen wir verweilen und zu uns kommen können. Langeweile wird so zur großen Möglichkeit, die Intensität des Lebens wieder neu zu erfahren
und ihr zu begegnen.
Das Shinjin Mei, eine Zen-Schrift aus dem 6./7. Jh. drückt es so aus:
„Unser Weg ist dem Wesen nach weit …. aber wenn wir unser Herz eng machen, sind wir voller Sorgen und Ängste. Wir beginnen uns zu beeilen und merken nicht, wie wir dadurch Mass und Zeit verlieren und in die Irre gehen: Lass los, und alles ist natürlich.“
Matthias Uhlich