Erwartungen und Urteile loszuwerden, ist wie Ballast aus einem Heissluftballon abzuwerfen, der, vom Gewicht befreit, immer höher aufzusteigen beginnt. Unsere bislang begrenzte Sicht wird mit dem 360-Grad-Rundblick belohnt. Die Stadt, die wir jetzt von oben betrachten, hat sich nicht verändert, aber wir nehmen sie nicht mehr aus der Perspektive der engen Gassen und Bürgersteige wahr. Wir sehen die Stadt, den weiten Himmel und den sie umgebenden Raum. Es ist eine vollständig andere Erfahrung, obwohl es sich um dieselbe Realität handelt, die wir erleben.
Der buddhistische Mönch, Gelehrte und Dichter Shabkar (gest. 1851) beschrieb dieses reine Gewahrsein so:
„Ich sah den vollkommenen Raum, der keine Grenzen kennt und erfuhr eine Freiheit ohne Mitte, ohne Ende.“
„Zen ist die Tradition, die besonders sensibel dafür ist, dass jede Brille nur eine Brille ist und immer wieder abgesetzt werden muss, damit wir neu sehen können…“(Michael von Brück)
Der chinesische Kaiser Liang Wu Di fragte einst Bodhidharma, den ersten Patriarchen der Zen-Traditionslinie:
„Welches ist der höchste Sinn deiner Lehre?«Bodhidharma antwortete:
„Offene Weite – nichts Heiliges darin.“
„Offene Weite – nichts von heilig. Genau darum, weil die Weite heilig ist. Nichts ist heilig, weil alles heilig ist. Zen ist die Übung, den Blick zu öffnen.“ (Michael von Brück)
Artur Przybyslawski