Bei ein gehender Betrachtung unserer Emotionen stellen wir fest, dass sie wie Akkorde aus zahlreichen Klängen bestehen. Die Wut Beispielweise veranlasst uns zum Handeln und hilft uns oft Hindernisse zu überwinden. In ihr sind aber auch Elemente wie Klarheit, Konzentration und der Antrieb zur Umsetzung enthalten -Elemente, die an und für sich nicht unbedingt Schaden anrichten.
Dem Verlangen wohnt ein Element von Sehnsucht und Glückseligkeit inne, das nicht nur mit Anhaften zu tun hat, dem Stolz ein Element von Selbstvertrauen, das stark sein kann, ohne zwangsläufig in Hochmut um zuschlagen; dem Neid ein Handlungsantrieb, der nicht mit ungesunder Unzufriedenheit gleichgesetzt werden sollte.
So schwierig es sein mag, diese unterschiedlichen Aspekte von einander zu trennen, so ist es dennoch möglich, die positiven Facetten einer allgemeine als negativ betrachteten Emotion zu erkennen und zu nutzen.
Wodurch erhält die Emotion letztendlich ihren schädlichen Charakter?
Durch die Art und Weise, wie wir uns mit ihr identifizieren und an ihr haften. Dadurch wird eine Kettenreaktion in Gang gesetzt, in deren Verlauf der Ursprüngliche Funke von Klarheit und Antrieb zu Wut und Feindseligkeit wird.
Die Meditationspraxis hilft uns einzugreifen, bevor die Kettenreaktion ausgelöst wird. Das reine Gewahrsein, die Quelle aller gedanklichen und emotionalen Prozesse ist als solcher weder gut noch schlecht. Gedanken werden erst zur Störung, wenn der Prozess der Fixierung in Gang gesetzt wird.
Was uns trägt, wenn wir ins Meer fallen ist das Wasser selbst, trotzdem – schwimmen können müssen wir. Und bezogen auf die Emotionen heisst das; wir müssen sie uns im positiven Sinn zunutze machen können, ohne ihnen, von den negativen Aspekten fortgerissen und unterzugehen.
Mathieu Ricard Glück Seite 183