„Was ist der Weg?“ fragte Joshu Zen-Meister Nansen. Der Meister antwortete: „Der alltägliche Geist ist der Weg.“ Diese Aussage von Zen-Meister Nansen ist das Fundament des Zen.
Der alltägliche Geist des Zen ist vollkommen frei und ungekünstelt. Er ist ohne jede Unterscheidung von heilig und nicht heilig, religiös und nicht religiös, geistig und ungeistig, richtig und falsch. Er ist nichts anderes als euer gewöhnliches, natürliches Bewusstsein, in eurem ganz gewöhnlichen Leben.
Der alltägliche Geist ist wirklich ganz einfach und nichts besonderes: Essen, Trinken, Schlafen, Lachen, Spazierengehen – die Blumen im Frühling, der Mond im Herbst. Mit den Worten von Zen-Meister Ma-tsu:
„Der Weg bedarf keiner Übung – sieh nur zu, dass du ihn nicht beschmutzt. Was ist Beschmutzung? Einen schwankenden Geist zu haben, der künstliche Massnahmen und Kniffe erklügelt, das ist Beschmutzung.
Willst du den Weg direkt erfassen, so ist das gewöhnliche Bewusstsein der Weg. Das gewöhnliche Bewusstsein – damit meine ich den Geist, der ohne Künstlichkeit ist, ohne Ich-bezogenes Urteil, ohne Anhaften und Zurückweisen.“
Der wahre Weg ist das Tao, das sich als die allem zugrunde liegende Wirklichkeit in allem offenbart. Du brauchst nirgendwo hinzugehen, um die höchste Wahrheit zu finden. Das Tao liegt unter deinen Fusssohlen. Mach deine Augen auf und sei gegenwärtig! Sei bewusst bei allem, was du tust.
Der wahre Weg ist jenseits von Wissen und Nichtwissen, und der alltägliche Geist ist vollkommen frei von Annehmen und Verwerfen. Er ist immer so, wie er ist, ohne jede Trübung. Er ist offen, klar und rein.
Der ursprüngliche Zustand des Geistes als dein wahres Sein und der alltägliche Geist ist ein und dieselbe Wirklichkeit. Um das zu erfahren, brauchst du nichts anderes zu tun – als Nicht-Tun. Lass alles wie es ist, und gehe auf im gegenwärtigen Augenblick. Sei weit und offen wie der Himmel – nicht konditioniert, nicht verspannt, nicht zielorientiert. Befreie dich von deiner Identifikation mit dem Verstand, der dich zum Sklaven des unterscheidenden, begrifflichen Denkens macht.
In diesem Augenblick- genau an diesem Ort, wo du jetzt bist – offenbart sich der alltägliche Geist als der Weg. Er ist weder in der Vergangenheit noch in der Zukunft zu finden. Du bist jenseits von Annehmen und Verwerfen, und du verweilst in der heiteren Gelassenheit des Geistes mitten im Trubel der Welt.
Einst kam ein anderer Schüler zu Zen-Meister Nansen und fragte ihn:
„Hatten die Weisen der Vergangenheit irgendeine geheime Lehre, die ich noch nicht kenne?“
„Ja“, sagte Meister Nansen.
Begierig fragte der Schüler: „Was ist das für eine Lehre?“
Und der Meister antwortete:
„Es ist nicht der Geist, es ist nicht Buddha, es ist überhaupt nichts.“