1 Ganz offensichtlich gibt es Leiden in der Welt.
2 Wir erfahren es immer dann, wenn unsere Wirklichkeit nicht mit unseren Erwartungen übereinstimmt und wir an der Identifikation mit dem Ego, dem Selbstkonzept, festhalten. Wir leiden also, weil wir über die Natur der Dinge falsche Vorstellungen haben und glauben, dass es im Universum Dinge gibt, die fest und unvergänglich sind. Wir erhoffen uns von diesen Dingen bleibende Befriedigung und sind der Illusion verfallen, dass wir ein inhärentes und beständiges Selbst haben. Doch die Erfahrung zeigt laufend, dass alles unbeständig ist, sich in stetiger Veränderung befindet – auch unser Körper und Geist.
3 Genau darin liegt auch die Befreiung: Wenn diese falsche Sichtweise durchschaut wird und erlischt, erlöschen auch damit die Leid schaffenden Kräfte Gier, Aversion und Verblendung. Und damit wird Befreiung, Freiheit möglich.
4 Um zu dieser Freiheit zu gelangen, gibt es einen Weg, eine Praxis – den Achtfachen Pfad, der uns dahin führt, die falsche Sichtweise zu überwinden und unsere wahre Natur zu erkennen.
Dank der Auflösung der falschen Sichtweise werden wir nicht in ein „Paradies“ ohne jegliche unangenehmen Erfahrungen katapultiert: Alter, Krankheit und Tod bleiben erlebbare Realitäten. Mehr und mehr erkennen wir jedoch, dass dies ein natürlicher Lebensprozess ist und dass es vielmehr unsere Identifikation ist, die Leiden verursacht.
Marcel Geisser