Meist ist unser Geist unstet, launisch, unbeherrscht, hin- und hergerissen zwischen Hoffnung und Furcht, egozentrisch, zögerlich, zerstreut und verzettelt, verwirrt…Ausserdem begehrt er auf gegen jeden Versuch, ihn zu bändigen oder zu schulen, und ist ständig mit innerem Geplapper beschäftigt…
Um unsere Fähigkeit zu innerer Sammlung zu erhöhen, stützen wir uns auf das Kommen und Gehen des Atems.
Wir atmen ruhig und natürlich. Der Geist sollte, während wir die Atmung wahrnehmen, klar und gelassen sein. Der Buddha hat hier das Bild eines Regenschauers verwendet, der die vom Wind aufgewirbelten Staubwolken verschwinden lässt und den Blick auf einen strahlend klaren Himmel freigibt. Der Staub steht für die innere Unruhe und Verwirrtheit, der wohltuende Schauer für die ungeteilte Aufmerksamkeit, mit dem wir den Atem beobachten, und die reine Luft steht für innere Ruhe und Klarheit.
Sobald uns bewusst wird, dass die innere Sammlung dahin ist, sollten wir ohne jede Reue und Schuldgefühle die Aufmerksamkeit einfach wieder der Atmung zuwenden. Wir kehren zum Atem zurück wie ein Schmetterling, der sich abermals auf einer Blume niederlässt, nachdem er zuvor, ohne ersichtlichen Grund mal nach rechts, mal nach links schweifend, um sie herumgeflattert ist.
Wenn Gedanken auftauchen, versuchen wir nicht, sie aufzuhalten. Wir vermeiden es lediglich, ihnen einen Nährboden zu bereiten. Wir lassen sie einfach nur das weite Feld unseres Bewusstseins durchqueren – so wie ein Vogel über den Himmel fliegt, ohne eine Spur zu hinterlassen.
Matthieu Ricard